Zeitzeuge Rolf Kräuter berichtet in der Limesschule über seine Kriegsgefangenschaft in Uglitsch

01.06.2017 - Idsteiner Zeitung (Beke Heeren-Pradt)

 

Zeitzeuge Rolf Kräuter berichtet in der Limesschule über seine Kriegsgefangenschaft in Uglitsch 
Rolf Kräuter gibt dem Leistungskurs Geschichte Q2 einen Einblick davon, was er als
16-Jähriger in Kriegsgefangenschaft in Uglitsch erlebt hat. Wilma Bergmann (links)
vom „Freundeskreis Idstein – Uglitsch“ und Studienrätin Sabine Roll (Limesschule)
freuen sich über das große Interesse der Kursteilnehmer. Foto: Stefan Gärth
 
 
IDSTEIN - „Ja, die Kriegsgefangenschaft hat mich verändert“, antwortet Rolf Kräuter auf die Frage eines Oberstufenschülers der Limesschule. Lange Zeit nach der Rückkehr habe er nirgendwo hingehen können, wo viele Menschen waren. Zu eindrücklich sei die Zeit seiner Gefangenschaft in Russland gewesen, während derer er mit 300 Männern in einer Baracke hausen und sieben Tage pro Woche schwer arbeiten musste. 10 000 Männer seien in dem Gefangenenlager in Uglitsch – Uglitsch ist heute die Partnerstadt von Idstein – gewesen. Er habe schwer in der „Fabrik 34“ in Uglitsch arbeiten müssen, einer Fabrik, die bis vor wenigen Jahren noch bestand. Rolf Kräuter aus Gaggenau war als Zeitzeuge am Dienstag beim Geschichts-Leistungskurs der Limesschule zu Gast.

Wochenlange Zugfahrt unter schlimmen Bedingungen

Als 16-Jähriger wurde der heute 88-Jährige am 1. Januar 1945 zur Wehrmacht eingezogen, wurde zum Grenadier ausgebildet. Dann musste er kämpfen und wurde im Mai 1945 in der damaligen Tschechei gefangen genommen. Nach einiger Zeit bei den Tschechen wurde er mit anderen Deutschen von der Siegermacht Sowjetunion in ein Gefangenenlager im russischen Uglitsch transportiert – sieben Wochen Zugfahrt unter schlimmsten Bedingungen, dann kam er ins Arbeitslager.
 
Dass Rolf Kräuter drei Jahre als Kriegsgefangener in Idsteins heutiger Partnerstadt Uglitsch verbrachte, stellte seine Verbindung zum Verein „Freundeskreis Idstein-Uglitsch“ her, mithilfe dessen der ehemalige Kriegsgefangene in den vergangenen 20 Jahren mehrmals zu Besuch in der Stadt an der Wolga war. Kräuter, Mitglied im „Freundeskreis“, hat seinen Frieden geschlossen mit der russischen Stadt, freut sich, dass er lange Zeit nach Krieg und Gefangenschaft Kontakt aufnehmen und die alten Stätten wiedersehen konnte.

ALS KRIEGSGEFANGENER IN UGLITSCH

Unvorstellbar für die heutigen Schüler ist die Unterbringung der Gefangenen in riesigen Baracken mit Doppelstock-Pritschen, auf denen sie zu dritt schlafen mussten – ohne Stroh oder gar Matratze, nur mit dem Mantel als Zudecke. Eine Holzbaracke mit großem Loch in der Mitte diente als Toilette – im Sommer heiß, im Winter bei bis zu minus 40 Grad eiskalt. Eine Sauna pro Lager gab es für die Körperhygiene und zu essen gab es morgens einen Teller Brei und ein Stück Brot, mittags einen Teller Suppe und ein Stück Brot. „Je besser man gearbeitet hat, desto mehr bekam man zu essen“, erinnert sich Rolf Kräuter an die äußerst kargen Mahlzeiten und den ständigen Hunger.

1948 wurden alle Kriegsgefangenen offiziell entlassen. Kräuter kam nach Stalingrad, wo zahlreiche andere zu weiterem Arbeitslager verurteilt wurden. Er trat von dort seine Heimreise über Polen, Ostdeutschland nach Westdeutschland an, wo er an die Amerikaner übergeben und dann erst endgültig entlassen wurde.

Schilderungen stimmen auf Russland-Fahrt ein

Auch die Limesschüler brechen bald zur Studienfahrt nach Russland auf. Dort werden sie nicht nur die Städte kennenlernen, sondern auch Kontakt zu russischen Schülern im Rahmen eines Austausches bekommen. Ein direkter Bezug zu den vielen Tausenden von Kriegsgefangenen, die in Uglitscher Arbeitslagern bis 1948 untergebracht waren, ergibt sich für die Schüler auch insofern, als sie in einem Arbeitseinsatz auf dem Kriegsgefangenen-Friedhof helfen werden. Die Schilderungen des Zeitzeugen Rolf Kräuter sind da eine eindrucksvolle Einstimmung.
„Haben Sie auch etwas von der Stadt Uglitsch kennengelernt?“, fragt einer der Schüler. Und Kräuter berichtet, dass ab 1947 manchmal sonntags Fußballspiele Lager gegen Lager organisiert wurden, dass wenige Ausflüge gemacht wurden, und dass sie genau zweimal in Uglitsch im Kino waren. Ansonsten wurden die Gefangenen meist auch sonntags als Arbeitskräfte „verkauft“, zum Beispiel zu Ernteeinsätzen.

 
Den Originalbericht finden Sie im Wiesbadener Kurier.